Die Regel ist nicht die Ausnahme

Die Regel ist nicht die Ausnahme

Gedanken einer Bundesrätin:

Neulich hatte ich Gelegenheit, in der aktuellen Stunde im Bundesrat über ein Thema zu sprechen, das mir als ehemaliger Leistungssportlerin besonders am Herzen liegt. Es ging um Chancengleichheit und Gleichstellung von Frauen im Sport. Das mag angesichts der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Lage kaum der Rede wert erscheinen – gäbe es dabei nicht einen zentralen Faktor, der nicht nur die Leistungsfähigkeit von Sportlerinnen beeinträchtigen kann, sondern im Grunde jede Frau betrifft: der weibliche Zyklus.

Das „FEMALE ATHLETE“ Programm

Ausgerechnet zu diesem Thema nimmt unser kleines Vorarlberg einmal mehr eine Vorreiterrolle ein. Denn hier, genauer gesagt im Olympiazentrum in Dornbirn, wurde 2021 das „FEMALE ATHLETE“ Programm ins Leben gerufen. Dieses von vier Vorarlberger Sportwissenschaftlerinnen gegründete Programm leistet Aufklärungsarbeit zu Themen rund um die Frau und die Besonderheiten der weiblichen Physiologie im Leistungssport. In Vorträgen und Workshops erhalten Athletinnen und Trainer:innen Einblicke in neueste wissenschaftliche Erkenntnisse, um das Training den eigenen Bedürfnissen entsprechend und damit noch effektiver gestalten zu können. Darüber hinaus, und das scheint mir fast am wichtigsten, möchte das Programm die Kommunikation zwischen Sportlerin und Trainer:in erleichtern. Denn viel zu oft nimmt Frau zyklusbedingte Leistungstiefs lieber schweigend hin, als dass sie die Dinge einfach beim Namen nennt. In einer BBC-Umfrage unter 500 Sportlerinnen etwa haben 60 Prozent angegeben, dass ihre Periode sich auf die sportliche Leistung auswirkt, beziehungsweise dazu geführt hat, dass sie ein Training oder einen Wettbewerb ausfallen lassen mussten. Dennoch fanden es 40 Prozent der Befragten unangenehm, mit ihrem Trainer über ihre Periode zu sprechen. Ich kann mich erinnern, dass auch ich mich erst nach einigen aktiven Jahren getraut habe, das Thema anzusprechen. Gerade als Jugendliche habe ich lieber die Zähne zusammengebissen, obwohl mir damals mein Zyklus oft noch große Probleme bereitet hat.

Die Dinge beim Namen nennen

Doch es gibt auch Ausnahmen. Die chinesische Schwimmerin Fu Yuanhui etwa hat bei den Olympischen Spielen in Rio dieses Tabu gleich öffentlich gebrochen. „Meine Periode hat gestern Nacht eingesetzt und ich fühle mich ziemlich schwach und wirklich müde“, lautete ihr Kommentar auf ihren 4. Platz in der Lagenstaffel. Vielleicht erinnern Sie sich auch noch an das Interview mit Michaela Shiffrin in der letzten Saison. Ihr Statement: „I'm kind of in an unfortunate time of my monthly cycle“ wurde simultan übersetzt mit: „Es ist sehr anstrengend. Ich komme nicht einmal zum Radfahren, was ich jeden Monat mache.“ Dass selbst Profis bei dieser Übersetzung ins Stolpern geraten, macht deutlich: Noch immer wird zu wenig über dieses Thema gesprochen.

Reden wir darüber

Es soll und darf für Frauen, im Leistungssport genauso wie in jeder anderen Position, kein Problem sein, über zyklusbedingte Leistungstiefs zu reden. Wenn jemand Kopfschmerzen hat, ist das ja auch keine große Sache. Hier müssen wir eine gewisse Selbstverständlichkeit erreichen – im Sport, in der Politik und überall sonst auch. Die Reaktionen auf meine Rede im Bundesrat stimmen mich diesbezüglich sehr positiv. Die Offenheit und das Interesse dem Thema gegenüber waren groß. Bleibt nur zu hoffen, dass dies keine Ausnahme war, sondern viel mehr zur Regel wird.


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